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Vielen Dank für das rege Interesse der Besucher, die so zahlreich erschienen waren! Vielen Dank an die Musiker, Swetlana Kluck (Violine) und Katrin Götz (Flügel), für die kongenialen musikalischen Beiträge, die der Veranstaltung einen feierlichen Rahmen gaben. Mein besonderer Dank gilt
Dr. Matthias Schlicht für seine Laudatio, in der er besonders auf die etwas schwerer verständlichen Werke einging und diese durch seine ganz persönliche und sehr präzise Interpretation dem Publikum erschloss. |
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Die Laudatio von Dr. Matthias Schlicht (mit freundlicher Genehmigung):
Meine Damen und Herren,
kurz vor der Ausstellungseröffnung besuchte ich FW in seinem Atelier. Wir sahen uns gemeinsam einige der ausgewählten Exponate an. Ein Bild fiel mir besonders in’s Auge; kein Wunder, ziert es doch auch die Einladungskarte für diese Ausstellung im Kulturforum. Sie sehen es dort in der Ecke hängen. Der Titel lautet: Die Menschheit frisst die Erde auf; und es stammt aus dem Jahr 2013.
Die Mitte und der Mittelpunkt des Bildes springen einen förmlich an. So stark, dass FW zu mir meinte, keiner würde sich wohl dieses Bild in’s Wohnzimmer hängen wollen. Doch wenn man genau hinschaut, erkennt man in diesem Bild mehr: mehr Inhalt und mehr von den Facetten, die der Maler FW parat hält. Vier Menschen essen, nein sie fressen, sie schlingen und zerren mit gewalttätigen Zähnen an einer Pizza. Die Salamischeiben lassen den Erdteil Afrika erkennen. Die monsterhaften Gestalten in Menschengestalt essen nicht, weil sie Hunger haben. Sie fressen und schlingen aus lauter Gier. Im Anzug gekleidet der zur Linken, ganz nobel. Dass darunter Afrika liegt und leidet, scheinen sie im Fressrausch zu vergessen; aber wir sehen es ganz deutlich. Darunter das ärmliche Dorf mit den brennenden Hütten, die Mutter mit ihren Kindern, umgeben von einem Meer von Totenschädeln. Die Fresser interessiert es nicht. Sie sind von etwas anderem gesteuert. FW hat es angedeutet in Form von Trichtern über ihren Köpfen. Dort fliegen Geldmünzen auf und ab. Das Geld regiert die Gier der Gierenden. Eine Regel, die immer und überall gilt: Folge der Spur des Geldes. Denn hinter dem Geld verbergen sich die Macht und der Wunsch nach Herrschaft. Nennen Sie mir bitte einen Krieg, der aus ideologischen Gründen geführt wurde. Ich kenne keinen. Sie werden geführt, weil im Hintergrund die Motivation aus Geld, Macht und Herrschaft thront. Ob von den Kreuzzügen bis hin zum heutigen Syrienkrieg: immer geht es darum. Wir sehen im Fernsehen Kindersoldaten, die nichts zum Anziehen haben, aber sie tragen die allerneueste Kalaschnikow und das G36 Sturmgewehr von Heckler & Koch aus Deutschland. Woher haben diese Armen diese Hightec-Waffen? Wer verdient daran? Folgen Sie der Spur des Geldes.
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Aber das Bild zeigt uns noch mehr. Rechts sehen wir die Frau in Rot, Lady in Red. Knallrot-erotisch ist ihr Kleid, doch ihre Erscheinung zeigt deutlich, dass sie ihre besten Jahre schon lange hinter sich hat. Trotzdem versucht sie noch einmal alles zu zeigen, sogar die Brüste sind schon fast entblößt. Doch auch der Busen lässt nicht die Spuren ihres Alterns übersehen. So sorgt sie für sich selbst. Als ich das Bild zuerst betrachtete, dachte ich, sie würde sich eine Flasche Schnaps an den Mund führen (in Wirklichkeit ist es auch ein Stück der Afrika-Pizza). Aber ihre Augen zeigen, dass der Whiskey schon lange ihr bester Freund und Geliebter ist. Sie ist ganz bei sich selbst, bei ihrer verzweifelten Selbstdarstellung, bei dem Wunsch, sich zu betäuben, dass sie die Welt und ihre Fresser überhaupt nicht mehr sehen kann. Sie sieht nur noch sich.
Links neben der Dame steht ein Paar im Halbdunkel. Sie scheinen ausgeflippt und fröhlich zu sein; eine erotische Komponente ist auch hier zu sehen und zu spüren. Die junge Frau zeigt sich auch bereits fast ganz offenherzig; ihr Freund hat schamlos seine Hand auf ihre Scham gelegt. Auch sie sind ganz bei sich: jung, verrückt, scharf aufeinander. Von der Welt, die neben ihnen aufgefressen wird, nehmen sie nichts wahr. Sie haben ja sich. Sie haben nur sich. Der Rest ist für sie nicht vorhanden.
Die Frau und das Paar leben das, was Luther einst „incurvatus in se ipsum“ nannte: eingekrümmt, eingekurvt in sich selbst. Das ist für Luther die einzig legitime Definition der Sünde. Wenn du nur noch dich selbst sieht, wenn es daneben nichts anderes mehr gibt, wenn dir alles andere sch…egal ist: dann kreist du nur noch um dich selbst. Das ist die Hölle; die Hölle der Passiven, die Hölle der Eingekrümmten neben der Hölle der Fresser.
FW hat das Bild gemalt in einer äußerst deutlichen, expressiven Art. Die Gesichter sind grotesk, fast karikaturhaft überzeichnet. Sie erinnern mich an Gemälde von Max Beckmann oder von Otto Dix, die ich in München und Köln sehen durfte. Gesichter wie diese erkennt man gerade in der Überzeichnung als besonders realistisch wieder. FW kopiert allerdings weder Beckmann noch Dix; er transformiert Malstile und interpretiert sie auf seine Art mit seinem Gefühl. In der Ausstellung werden sie noch an weiteren Stellen an andere Künstler denken, etwa an Edvard Munch oder auch an Vincent van Gogh. Wie gesagt: kein Kopie, sondern Transformation; eine individuelle Aneignung in Form von Interpretation, die nur dieser und kein anderer Künstler derart machen kann.
Ich darf Ihren Blick auf die andere Seite der Galerie lenken. Hier sehen sie eine andere der vielen Facetten im künstlerischen Oeuvre von FW. Auch hier können Sie ohne große Überlegung einen Meister im Geiste erkennen, der FW seit langem schon inspiriert. Es handelt sich um Caspar David Friedrich. Wie dieser malt FW die Natur nicht einfach ab oder nach; er empfindet sie; allerdings nicht wie Friedrich einst im romantischen Naturalismusstil. Sein Stil ist anders, fast mystisch, zauberhaft (darauf komme ich gleich noch). Er sieht eine Landschaft und empfindet sie und malt die Empfindung. Dabei muss er noch nicht einmal seine Staffelei in einen Wald oder vor einen Fluss stellen; die Phantasie reicht schon aus und es entsteht mit Schwung und Farbe etwas, von dem der Künstler selbst noch gar nicht weiß, wie es ausgehen und aussehen wird.
In dieser Hinsicht ist FW mit seinen Kunstwerken in der Tat ein Zauberer. Und das kann ich Ihnen auch beweisen. Meiner Frau habe ich vor einigen Jahren ein Bild von FW geschenkt; es hängt bei uns im Wohnzimmer. Es zeigt den Moment, in dem die Morgendämmerung langsam am unteren Bildrand erscheint und die Schwärze und Bläue der Nacht immer mehr nach oben verdrängt. Das Motiv zeigt die „Skyline“ von Buxtehude und prächtig in der Mitte die noch ganz dunkle, erhabene St. Petri Kirche. Meine Frau sagt immer: Das Bild kann zaubern. Denn in der Tat: zu jeder Tageszeit hat das Bild eine andere Wärme. Und das gilt nicht nur für den Tag, dazu kommt auch noch die Jahreszeit. Das Bild wirkt anders um 8 Uhr im Frühling als um 8 Uhr im Sommer. Mal bitterkalt, mal erfrischend, mal fröstelnd, mal lebendig machend. Das Bild kann zaubern, weil FW mit Farben zaubern kann.
Also: lassen Sie sich beim Gang durch die Ausstellung verzaubern und entdecken Sie die Vielfalt und Facetten eines uns beeindruckenden Künstlers.
Dr. Matthias Schlicht
Buxtehude |
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